Archiv der Kategorie: Selbstdiagnose

Übernommen, überladen, überrascht: Beziehungen scheitern am Zuviel des vermeintlich Guten

Beziehungen scheitern häufig nach nicht an zu wenig gutem Willen, sondern an zu vielen Erwartungen: permanente Harmonie, unbedingte Bewunderung und Anerkennung, Romantik, grenzenloses Verständnis, Gedankenlesen, Wunschwissen und pausenlose Erotik – das alles muß drin sein in der Beziehung. Natürlich liest sich das hier übertrieben. Aber fragen Sie sich mal, bei welchem Gedanken Sie sich (früher) schon mal beobachten konnten. Unrealistische Vorstellungen von dem, was eine Beziehung zu sein habe, bringen das Miteinander durcheinander. Wenn die hohen Erwartungen, die beide Partner ans Gegenüber und an das hoffnungslos überladene Konstrukt „Beziehung“ haben, nicht erfüllt werden, werten sich die Partner zunächst gegenseitig ab … und irgendwann die ganze Beziehung.

Überzogene Erwartungen zählen zu den Selbsttäuschungen. Täuschungen führen irgendwann zu Ent-Täuschungen. Solche Selbsttäuschungen entstehen häufig im Orbit der Verliebtheit, in der Rosabrillenphase, wenn das (sonst planende) Frontalhirn hin und wieder höflich in den Stand-By-Modus wechselt, weil anderes eben gerade dringender ist. Im Alltag der Beziehung angekommen, stellen viele Beziehungsinsassen erschrocken fest, daß vieles ganz anders ist als anfangs gefühlt. „So war das nicht ausgemacht!“ hören sie sich innerlich sagen, dabei war oft gar nichts ausgemacht. Und hier beginnt erst die Beziehung. In den Untiefen des Alltags findet statt, was mit Miteinander gemeint ist.

Wenn hier beide Partner nach immer zu erneuernder Absprache Gelassenheit, Mitgefühl mit sich selbst und dem anderen – und viel Humor ins tägliche Leben tragen, schaffen sie gemeinsam die Basis für ein Glück zu zweit. Dieses Glück will erarbeitet werden. Der Segen des Himmels kommt hinzu, wenn hier der Boden gut bestellt wurde.

Unzufrieden in der Beziehung? Statt die Beziehung untergehen zu lassen, kann man überflüssige Lasten über Bord werfen. statt-seitensprung.de Unzufrieden in der Beziehung? Statt die Beziehung untergehen zu lassen, kann man überflüssige Lasten über Bord werfen. statt-seitensprung.de

Wenn Sie überflüssige Lasten über Bord werfen, können Sie Raum für das Miteinander gewinnen

Selbstdiagnose der Beziehung

Eine kurze Selbstdiagnose in der Beziehung kann aufschlußreich sein

Zwischenmenschliche Beziehungen sind hochkomplexe Gebilde, Ereignisse, Zustände, Energiefelder. Nie wird man das tiefe Wesen einer Beziehung bis ins letzte Atom ergründen. Das braucht’s auch gar nicht. Am einfachsten ist es, mit einer Betrachtung bei den Aspekten anzusetzen, die sowieso auf der Hand liegen. Im kleinen Alltag liegen die großen Chancen.

Bevor Sie die Beziehung mit Ihrer Frau bzw. Ihrem Mann abwerten, vielleicht sogar abschreiben, stellen Sie sich einige Fragen. Schreiben Sie sich auf, welche Antworten Sie finden. Beobachten Sie, welche Regungen Sie verspüren, wenn Sie Ihre Antworten lesen: ob Schmerz im Spiel ist, Trauer, vielleicht auch Rührung. Welche Regung auch immer Sie registrieren, Sie werden sehen, daß Gefühle im Spiel sind, wenn Sie über Ihre Partnerschaft nachdenken. Möglich sind natürlich auch Träume, Hoffnungen, Freuden, Erwartungen – und ganz besonders die enttäuschten Erwartungen. Fangen wir mit den Erwartungen an. Erwartungen liegen oft als schwere Lasten auf dem, was wir unternehmen wollen.

Welche ausgesprochenen Erwartungen hatten / haben Sie an Ihre Beziehung, und welche wurden vom anderen bis jetzt erfüllt?

Welche ausgesprochenen Erwartungen kennen Sie aus Ihrer Beziehung, und welche haben Sie dem anderen bis jetzt erfüllt?

Welche nicht ausgesprochenen Erwartungen hatten / haben Sie an Ihre Beziehung, und welche wurden bis jetzt erfüllt?

Was sind aus Ihrer Sicht die Kennzeichen einer glücklichen Beziehung, wenn Sie mal vom Sex absehen?

Und wenn Sie den Sex mit einbeziehen, was ist außer dem Sex für Sie wichtig, damit eine Beziehung für Sie rund ist?

Wenn Sie es in physikalischem Gewicht ausdrücken sollten, wie schwer kann man eine Beziehung mit Erwartungen belasten, bis sie unter der Last in die Knie geht?
1 kg? 10 kg? 100 kg? 1.000 kg? Ein Eisenbahnwaggon? Ein Gebirge?
Was schätzen Sie, wie schwer eine unerfüllte Erwartung wiegt?
1 kg? 10 kg? 100 kg? 1.000 kg? Ein Eisenbahnwaggon? Ein Gebirge?

Angenommen, Ihr sehnlichster Wunsch in bezug auf Ihre Beziehung würde sich über Nacht erfüllen, woran würden Sie dies zuerst bemerken? Woran würde Ihre Partnerin / Ihr Partner den erfüllten Wunsch zuerst bemerken? Was würde Ihren Kindern auffallen, wenn Ihr sehnlichster Wunsch erfüllt wäre?

Vermutlich gibt es etwas, das Sie an Ihrem Partner / Ihrer Partnerin (inzwischen) weniger gut finden. Das kennen Sie ja schon zur Genüge.
Wenn Sie drei Verhaltensweisen / Eigenschaften benennen sollten, die Ihre Partnerin / Ihr Partner unbedingt beibehalten soll, welche sind es?

Was schätzen Sie, ist der sehnlichste Wunsch Ihrer Partnerin / Ihres Partners? Angenommen, Sie würden sich heimlich daran machen, ihr / ihm diesen Wunsch nach und nach zu erfüllen, wie würde es sich auf Ihr eigenes Erleben und das Leben des anderen auswirken? Entscheidend ist dabei, daß Sie auf keinen Fall darüber berichten, daß Sie drauf und dran sind, diesen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.

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Wiederbelebung

Erstens ist es vollkommen normal, daß in einer länger dauernden Beziehung die ursprüngliche Leidenschaft nachläßt. Zweitens ist es jederzeit möglich, eine eingeschlafene Beziehung wiederzubeleben. Wer wirklich Abwechslung in der Partnerschaft sucht, sollte nicht den Partner wechseln, sondern seine Gewohnheiten verändern. Es gibt meistens mehr Möglichkeiten als man mitten im Zentrum einer Krise sehen kann.

Abwechslung in der Beziehung bringt den grauen Alltag angenehm durcheinander.

Wer seinen Fernseher vorübergehend in den Keller trägt, gewinnt sofort sieben Gelegenheiten in der Woche für neue Begegnungen mit der Person, mit der er sich eben noch vor dem Fernseher gelangweilt hatte.

Ein Wellness-Wochenende als Geschenk und die Frage „Nimmst Du mich mit?“ dürfte mit hoher Sicherheit ein Ankommer werden. Langweilig?

Man braucht nicht einmal auf Reisen zu gehen. Wer – auch in der eigenen Stadt – als leidenschaftsreduziertes Paar mit kleinstem Handgepäck für eine Nacht in einem Hotel übernachtet, erlebt gemeinsam seinen Alltag und seine Beziehung aus einer anderen Perspektive. Außerdem ist ein neutrales Zimmer wie ein weißes Blatt Papier, auf dem sich Neues malen (und ausmalen) läßt.

Diese Liste wird fortgesetzt. Und Sie sind eingeladen, eigene Vorschläge zur Beziehungswiederbelebung einzusenden, die hier veröffentlicht werden können.

Konzeption und Text: Johannes Faupel, freier Fachjournalist und Texter, Weiterbildung in systemischer Therapie und Beratung (IGST), demnächst 22 Jahre verheiratet